Die wichtigsten Fragen und Antworten von Physiotherapeutin Anna Schweitzer
Vier bis sechs Millionen Männer sind alleine in Deutschland betroffen. Eine Erektionsstörung (die Medizin spricht von „erektiler Dysfunktion“) ist nicht nur mit körperlichen Einschränkungen verbunden – oft leidet auch die Psyche und das Thema belastet die Partnerschaft.
Anna Schweitzer erklärt im Interview, was die vielfältigen Ursachen für Erektionsstörungen sind und welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Ihre Physiotherapie-Praxis MORE Therapy in Köln ist auf alle Themen rund um den Beckenboden spezialisiert.
Welche Männer betrifft das Thema Erektionsstörungen nach Eurer Erfahrung vor allem, zum Beispiel im Hinblick auf Alter und Lebensumstände?
Eine erektile Dysfunktion betrifft am häufigsten Männer ab 70. Und das teilweise völlig unabhängig von einer Vorerkrankung. Die zweite Gruppe, die davon betroffen ist, sind Männer ab 40 mit Prostataproblemen. Also beispielsweise bei einer vergrößerten Prostata, nach einer Prostata-Operation oder bei einem Prostata-Tumor.
Haben auch junge Männer mit Erektionsproblemen zu kämpfen?
Ja, vereinzelt. Oft hat das dann psychische Ursachen, mitunter liegt es auch an einem verspannten Beckenboden.
Was sind die häufigsten Gründe für eine erektile Dysfunktion?
Da gibt es zunächst die Altersgründe, wie schon erwähnt. Weitere Gründe sind eine entfernte Prostata nach Prostata-Krebs, aber auch Herzerkrankungen, Diabetes oder hormonelle Dysbalancen.
Auch Nebenwirkungen von Medikamenten können die Ursache sein oder schlichtweg ein ungesunder Lebensstil: Rauchen, Alkohol, Drogen, Übergewicht.
Wir erleben in unserer Praxis immer wieder einen weiteren Grund, der manchmal unterschätzt wird: Einen verspannten Beckenboden, – die Gründe sind meist psychischer Natur
Erektionsstörungen haben mitunter auch psychische Gründe. Stimmt das?
Ja, das stimmt. Stress im Beruf oder Probleme in der Partnerschaft können auf die Psyche drücken. Oder wenn sich Männer zu sehr unter Druck setzen.
Wie sollte der Betroffene vorgehen, wenn er Probleme bemerkt?
Erste Anlaufstelle ist immer die Hausarztpraxis. Hier wird zum Beispiel überprüft, ob Diabetes oder eine Herzerkrankung die Ursache sein könnte.
Eine erektile Dysfunktion ist nicht selten ein Frühwarnmelder für Herzerkrankungen, da die Blutgefäße im Penis so klein und fein sind, dass sie als erste Beschwerden „melden“.
Wie wird eine Erektionsstörung behandelt?
Das ist natürlich sehr abhängig vom jeweiligen Hintergrund für die Beschwerden. Oft folgt ein Termin in einer urologischen Praxis. Empfehlenswert sind hier Fachärzt*innen, die auch andrologisch arbeiten.
Wenn Erkrankungen ausgeschlossen sind, kann auch auf eigene Kosten oder auf Rezept eine speziell geschulte Physiotherapie aufgesucht werden zur Anleitung von Übungen.
Wie geht MORE Therapy bei der Physiobehandlung vor?
Am Anfang steht immer ein ausführliches Anamnesegespräch zur Problematik des betroffenen Mannes, auch im Hinblick auf den Beckenboden. Dabei ist es wichtig, die Zusammenhänge zwischen Erektion und Ejakulation einerseits und dem Beckenboden zu erkennen.
Oft folgt dann eine Anleitung für Übungen verschiedenster Art zur Anspannung und Entspannung des Beckenboden und der umliegenden Muskulatur. Das Ganze kombiniert mit Atemtechniken, allgemeinen Entspannungsübungen und einer Kräftigung des Beckenbodens. Natürlich immer abhängig vom Befund des Anamnesegesprächs.
Welche Hilfsmittel kommen bei einer Erektionsstörung in Frage?
Auch darauf gehen wir bei Bedarf ein. Empfehlenswert kann der Einsatz einer Penispumpe oder von Penisringen sein.
Mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchem Zeitraum kann mit einer Behebung der Dysfunktion gerechnet werden?
Das hängt ganz von der Ursache ab und ob diese Ursache behandelt werden kann. Herzerkrankungen, Diabetes, Tumore oder hormonelle Veränderungen müssen ärztlich behandelt werden. Das ist häufig mit einem langen Zeitraum verbunden.
Bei psychischen Ursachen oder Problemen in der Partnerschaft ist möglicherweise eine Paarberatung die richtige Lösung. Auch dabei gibt es keine „schnelle Lösung“.
Wenn es aufgrund einer Beckenbodendysfunktion zu den Erektionsproblemen kommt, kann eine Besserung innerhalb von drei bis sechs Monaten eintreten. Aber auch das ist nicht pauschal festsetzbar.
Gibt es Fälle, in denen eine erektile Dysfunktion nicht heilbar ist?
Leider ja. Bei der vollständigen Entfernung der Prostata, bei der das anliegende Nerven-Gefäßbündel beidseitig mitentfernt wurde.
Welche Rolle spielt das Thema für Trans* Personen?
Ein Transmann, der eine Geschlechtsangleichung von Frau zu Mann mit Penisaufbau durchlaufen hat, kann eine Erektion ausschließlich mittels implantierter Erektionshilfe bekommen. Der Beckenboden hat an den neuen Penis leider keine direkte Anbindung und somit kaum Einfluss auf die Erektion. Eine Orgasmusfähigkeit ist aber möglich, da die Nerven der Klitoris mit dem neuen Penis verbunden werden.
Dafür ist eine Erektion nicht zwingend erforderlich. Hier können Übungen zur Verbesserung der Durchblutung im Becken ein Ansatz sein.
Weitere Informationen:
https://beckenbodentherapie-koeln.de/